Im Rahmen von BAM! – Berliner Festival für aktuelles Musiktheater 2022
Mit feministischer Brille widmen sich Alíenor Dauchez und ihr Team von La Cage hier einer Dekonstruktion von »Don Giovanni«. Die Handlung ist auf ein Filmset der Pornoindustrie verlegt, nicht immer geht es auf der Bühne jugendfrei zu. Scham wird zu einem wichtigen Schlüsselwort: Wer muss sich schämen hier, warum und wofür? Neben der passiven Rolle von Mozarts Frauen, die entweder Verführte, Betrogene, Verspottete oder Missbrauchte sind, kommt deren komplexe Psychologie in den Blick. Unerwartet tritt hierbei die Nebenfigur des Komtur aus dem Schatten und zeigt sich als wichtiges ergänzendes Glied eines von Männern dominierten Systems.
Trotz des extrem reduzierten Ensembles bleibt bei dieser Umkehrung (»renversement«) kaum eine Szene der Oper außer acht, mag sie gestreift werden auch nur im turbulenten Sprechdialog oder im Ausschnitt aus Opernfilmen, die mit dem Stück auch dessen Rezeptionsgeschichte reflektieren. Historische Einspielungen in originaler Besetzung werden unter den Händen Marta Zaparollis elektronisch verlangsamt oder verzerrt, andere Teile der Partitur in den Bereich alter und neuer Instrumente (Barockflöte, Synthesizer) übertragen – das sind Aufforderungen, »Don Giovanni« nicht neu nur zu sehen, sondern auch neu zu hören.
Die Musiktheatercompagnie La Cage wurde 2015 in Berlin und Paris gegründet. Sie bedient sich eines vielseitigen Repertoires, verbindet neue Musik mit Musik anderer Epochen und anderen Genres. In jedem Stück von La Cage wird eine musikalische Idee mit einer bildhauerischen Idee verknüpft. Der Blickwinkel auf den Raum und auf die Körper ist von der Tradition der Bildenden Kunst beeinflusst. Das künstlerische Team, das sich für die jeweiligen Projekte zusammen mit einem Musikensemble bildet, ist interdisziplinär und sucht nach neuen performativen Formen für das Genre Musiktheater.